Vielleicht wird man als Poet*1 geboren. Ich weiß es nicht. Vielleicht wird der „wahre“ Schriftsteller* Schriftsteller* bloß durch Gottes Güte, Voraus- und Nachsicht. Doch ich verstehe nicht viel von Gott. Ich kenne nicht mal seine*2 Schuhgröße.
Vielleicht braucht es einen unbedingten Glauben – bspw. an die eigene Fähigkeit. Aber ich habe keinen Glauben und ich weiß weder, wie es dies-, noch wie es jenseits kommen wird. Sogar, es ist meiner Meinung nach gänzlich ungewiss, ob die Sonne morgen wieder aufgehen wird. Ich weiß nur, was ich hier und jetzt tun kann: Ich kann, und ich werde, diese Seite füllen. Für den Moment ist das genug.
Friedrich Nietzsche schrieb manches, woran ich mich erinnere. Es erschien mir gut gedacht und noch besser gesagt. Daher entschied ich mich dagegen, es zu vergessen. So behielt ich den Aphorismus „Werke und Glaube“ aus der „Morgenröthe“ (1881): „Immer noch wird durch die protestantischen Lehrer jener Grundirrtum fortgepflanzt: daß es nur auf den Glauben ankomme, und daß aus dem Glauben die Werke notwendig folgen müssen. Dies ist schlechterdings nicht wahr, aber klingt so verführerisch […].“
Sokrates, Platon, Luther, so schreibt Nietzsche, ließen sich „betören“ von dem Glauben an den Glauben, „obwohl der Augenschein aller Erfahrung aller Zeiten dagegen spricht“. Denn: „Das zuversichtlichste Wissen oder Glauben kann nicht die Kraft zur Tat, noch die Gewandtheit zur Tat geben, es kann nicht die Übung jenes feinen, vielteiligen Mechanismus ersetzen, welche vorhergegangen sein muß, damit irgend etwas aus einer Vorstellung sich in Aktion verwandeln könne.“

Lassen wir’s also sein mit dem Glauben, den Eingaben, der Inspiration! Merkst du nicht, wie wir leichter werden, ohne all den überirdischen Ballast? Wie gut es ist, dass wir nicht auserwählt wurden! Denn es verdirbt den Charakter, the chosen one, ein Wunderkind zu sein. Und es leiden die Augen, wenn man zu lange in den Himmel starrt. Haben wir uns nicht langsam sattgesehen an diesem leeren fahlen Blau? So bescheiden ist dagegen das Weiß des Papiers. „Bleibt mir der Erde treu!“ (Zarathustra, Von der schenkenden Tugend.) Unsere Erde, worauf Wunderblümchen wachsen, ist chlorfrei gebleicht. Sie entspricht der DIN-Norm.
Kurzum: Der Schriftsteller* braucht nicht an sich selbst und auch nicht an Gott zu glauben, nicht an die Ideen, die Musen oder an sonst welche unanständigen Dinge. (Arno Schmidt sagte: „Ein guter Schriftsteller darf weder haben Freund, noch Vaterland, noch Religion.“) Er braucht nicht zu beten und auch nicht zu meditieren. Er braucht (old skool) einen Stift, etwas zu essen und ein Blatt Papier.
Nietzsche beendet seinen Aphorismus über „Werke und Glaube“: „Vor allem und zuerst die Werke! Das heißt Übung, Übung, Übung! Der dazugehörige ‚Glaube‘ wird sich schon einstellen, – dessen seid versichert!“ Ein Zitat, welches man sich ins Notizbuch, besser noch hinter die Ohren…
Fortsetzung folgt.
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- Note on gender: Diesbzgl. halte ich es in dieser Serie mit Crauss, auf dessen Werkbücher ich in den folgenden Beiträgen zu sprechen kommen werde: „Das Sternchen benötigt keine weiteren Anhängsel […]. In unserem Beispiel würde dann aus dem Trucker eine/e Trucker*in. Mal ehrlich: Erstens haben wir da plötzlich einen hässlichen Beamtenschrägstrich, und zweitens kriegen wir jetzt von der Butch eins auf die Fresse, denn sie ist weder ein männlicher Trucker noch eine Trucker-in, richtig? […] Einfaches Sternchen für alle denkbaren Geschlechter und fertig.“ (Crauss. (2022). „Unkreatives Schreiben. Die ganze Welt ist Text.“ Berlin: Dreiviertelhaus.) ↩︎
- Ja, dabei mache ich auch vor Gott nicht halt. ↩︎